Vortrag auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts, Sektion X: Spielsachen und Luxusgüter: Zum Nutzen der unnützen Sachen, 30.09. – 03.10.2010 in Halle (Saale)
Abstrakt
In dem für die Sektion »Spielsachen und Luxusgüter: Zum Nutzen der unnützen Sachen« angekündigten Vortrag zu Luxus und Habitus des Adels im Frankreich des ausgehenden Ancien Régime soll das schwierige Verhältnis von Adel und Aufklärung am Beispiel von Kunstsammlungen betrachtet werden. Sammlungen gehörten im fürstlichen Haushalt zu den Ausgaben des Luxus, den menus plaisirs. Diese oft verschwenderischen Aufwendungen beziehen als Teil des Habitus der französischen Hocharistokratie ihre Legitimation aus dem Bedürfnis der Elite, sich im Sinne des aristotelischen Magnifizenzbegriffs von anderen sozialen Schichten abzugrenzen. Luxus ist ein konstitutiver Bestandteil der repräsentativen und zeremoniellen Aufgaben des Adels, der damit seine gesellschaftliche Position zu festigen suchte. Max Weber hat bereits in Wirtschaft und Gesellschaft auf diese Strategie zur Erweiterung des sozialen Kapitals hingewiesen: »Der ›Luxus‹ im Sinn der Ablehnung zweckrationaler Orientierung des Verbrauchs ist der für feudale Herrenschichten nichts ›Überflüssiges‹, sondern eines der Mittel ihrer sozialen Selbstbehauptung.« In Zeiten zunehmender Herausforderung durch den wirtschaftlichen Aufstieg des Bürgertums und der Infragestellung der feudalen Ordnung durch Philosophen und Literaten sieht sich der vom König ebenso wie vom Dritten Stand bedrängte französische Adel genötigt, neue Legitimationsstrategien zu entwickeln und auch seine Distinktionsmittel auf die Herausforderungen anzupassen. Allerdings konnte sich der Adel im Zeitalter der Aufklärung nicht mehr allein auf seine traditionellen Werte und sozialen Verhaltensnormen zurückziehen, sondern mußte diese durch Qualitäten wie Kultur und Bildung, die zentral für den Aufstieg der bürgerlichen Schichten wurden, anreichern. Im Vorfeld der französischen Revolution, so eine These des Vortrags, kommt es zum Versuch einer Neudefinition des adeligen Selbstverständnisses, in dem Teile des Adels feudale, höfische Werte und Normen mit Elementen der Aufklärung kombiniert und sich auf diese Weise gegen die aufkommende grundlegende Kritik an seiner gesellschaftlichen Dominanz zu verteidigen sucht. Neben dem sozialen Kapital bedient sich der Hochadel in Zeiten der Aufklärung kulturellen Kapitals, um seine Stellung abzusichern. Er zeichnet sich durch seine Ausgaben unter anderem für Kunstsammlungen als Mitglied einer »élite des loisirs« aus, die in ihrem Lebensstil und ihrer »sociabilité du divertissement« sowohl Kultur und Reichtum als auch Unabhängigkeit von den ›niedrigen‹ wirtschaftlichen und professionellen Beschäftigungen zeigt (Antoine Lilti).
Die abstrakte Vorstellung von Kultur läßt sich anhand von Sachen bzw. Objekten beschreiben, die gekauft, gesammelt, geordnet und gezeigt wurden. Der Nutzen von Kulturgütern wie Kunstwerken, aber auch wissenschaftlich-technischer Sammelobjekte, Antiken oder allgemein Dingen des ›guten Geschmacks‹, erschließt sich erst vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Konventionen. Als Materialisierung sozialen Anspruchs entziehen sich Kulturgüter und Kunstsammlungen zuerst der Zweckrationalisierung und gehören damit ganz typisch in den Kreis der höfischen, auf Repräsentation bedachten Kultur. Am Beispiel der umfangreichen Pariser Sammlungen von Louis-Francois de Bourbon, Prince de Conti (1717–1776) – einflußreicher Cousin und später Widersacher Ludwigs XV., Kopf der französischen Geheimdiplomatie, Großprior des Malteserordens und wohl einer der widersprüchlichsten, darin aber prototypischen Vertreter des Hochadels in vorrevolutionärer Zeit – lassen sich die aufgeworfenen Fragen zur Materialität der Aufklärung aus einer adeligen Gegenposition heraus untersuchen, da sich der Adel keineswegs den intellektuellen und künstlerischen Entwicklungen im 18. Jahrhundert verschloß. Die Zusammenstellung und Präsentation von Sammlungen, das Zusammenwirken von Wissen und Geschmack kann bisweilen materieller Ausdruck einer Reaktion des Hochadels auf die Ideen der Aufklärung sein. Am Beispiel der Sammlungen des Prince de Conti soll die Funktion der Objekte, die Wandlung von Sammlungskonzeptionen und die Rolle des materiellen Luxus mit Blick auf das neue Leistungs- und Bildungsverständnis des zur Dominanz strebenden Bürgertums untersucht werden.
Vortrag
Luxus und Habitus: zur Nützlichkeit aristokratischer Sammlungen
im Frankreich der Aufklärung am Beispiel der Sammlungen des Prince de Conti
Einführung
[P] Vielen Dank für die Einladung zu dieser Tagung zu den Sachen der Aufklärung. Besonders freue ich mich, in den Räumen der Franckeschen Stiftungen zu sprechen, die ja als Kunst- und Naturalienkammer und als eine der ersten Bildungseinrichtungen im 18. Jahrhundert im Reich zu einer gewissen Berühmtheit gelangt ist! Das Thema meines Vortrags schließt sich in gewissem Sinne daran an. Ich werde über die gesellschaftliche Funktion der Sammlungen des Prince de Conti im Frankreich des ausgehenden Ancien Régime sprechen, einem Thema, das aus meiner Dissertation zu den Sammlungen des Prinzen entwickelt wurde. Im Folgenden soll vorgestellt werden, wer der Sammler war und woraus seine Sammlungen bestanden, welchen Stellenwert sie im fürstlichen Haushalt einnahmen, welches Ansehen bzw. Funktion Kunst und in diesem Zusammenhang auch Luxus im ausgehenden Ancien Régime besitzen konnten und zum Schluß eine Antwort auf die Frage gefunden werden, wieso sich Conti so stark für seine Sammlungen interessierte und in welchem Verhältnis sie zu den im Zeitalter der Aufklärung aufkommenden Fragen von Öffentlichkeit und Bildung standen. Im Folgenden werde ich mich vor allem auf die Kunstsammlungen, und hier besonders die Gemälde konzentrieren, und versuchen, die Ähnlichkeiten und Unterschiede zu einer traditionellen Fürstensammlung herauszuarbeiten.[1] Die These des Vortrags ist, daß Conti als Mitglied des Hochadels versuchte, in seinen Sammlungen traditionelle aristokratische Normen und Werte den Herausforderungen der Aufklärung anzupassen, um damit die gesellschaftliche Stellung des Adels gegen den König und das aufsteigende Bürgertum zu verteidigen.
Der Prince de Conti, Höfling, Rebell und Sammler
[P] Die gesellschaftliche Bedeutung, die Conti seinen Sammlungen zumaß, wird nur vor dem Hintergrund der Biographie des Sammlers verständlich. Louis-François de Bourbon Conti war ein enger Berater seines Cousins Ludwig XV. und konnte sich aufgrund seines politischen und persönlichen Geschicks eine zentrale Stellung im Gefüge des Hofes erarbeiten. Er galt als sehr ehrgeizig und bestimmte als Kopf des diplomatischen Geheimnetzwerks, des Secret du roi, in den 1740er und 1750er Jahren die französische Außenpolitik in Europa entscheidend mit. Der König vertraute ihm, jedoch fürchtete er seinen Ehrgeiz. Intrigen, Gerüchte, aber auch Contis dauerndes Agitieren gegen die königliche Administration auf Seiten des Parlaments und in der Öffentlichkeit führten zum Zerwürfnis zwischen den beiden Cousins 1756. Contis ‚esprit frondeur‘ in der Tradition des 17. Jahrhunderts machte den Prinzen zu einer unerwünschten Person in Versailles.
[P] 1757 zog er sich endgültig nach Paris in den Enclos du Temple zurück, wo er als Großprior des Malteserordens wie ein Fürst residierte. Auf der hier präsentierten Zeichnung Saint-Aubins ist der nach Osten ausgerichteten Blick auf die Stadt Paris mit dem Temple auf der linken Seite zu sehen; die Stiche zeigen einen Ausschnitt aus dem Plan Turgot mit dem Temple sowie eine Außenansicht des Palasts. Conti trat öffentlich im Parlament auf und verpaßte keine Gelegenheit, sich gegen den König und den Hof in Versailles in Stellung zu bringen. Hierzu nutzte er unter anderem die Privilegien des extraterritorialen Templerbezirks, die neben fiskalischen und finanziellen Vorteilen wie der einträglichen Kommende vor allem aus einer eigenen Rechtsprechung und Polizeigewalt mitten in der Stadt Paris bestanden. So gewährte Conti dort zum Beispiel politisch unbequemen Freigeistern wie dem Abbé Prévost, Rousseau oder Beaumarchais politisches Asyl. Er stellte den führenden jansenistischen Parlamentarier und Publizisten Louis-Adriaen Le Paige als Vogt ein und erlaubte das Drucken klandestiner Pamphlete gegen den König. So entwickelte sich nach 1757 der Temple zu einer oppositionellen Bastion der Allianz aus Adel und Parlament gegen den Hof in Versailles. Conti galt als oberster Rebell und wurde in der jüngeren Forschung gar als „âme de la subversion“ bezeichnet.[2]
[P] Vor diesem adelig-oppositionellem Hintergrund ist auch Contis kulturelles Engagement zu betrachten. Er umgab sich mit einem Hofstaat, hielt wöchentliche Salons, finanzierte ein großes Orchester, plante ein eigenes Theater, einen Veranstaltungs- und einen Ausstellungssaal und begann langsam seine Karriere als Sammler. Die hier gezeigten Gemälde wurden von Ollivier für Conti gemalt und zeigen seine Soupers und Konzerte für die gehobene Pariser Gesellschaft. Für seine Sammlungen ließ er unter anderem eine eigene Galerie an den Palast anbauen.[3] Seine wahre Leidenschaft für die Kunst entdeckte Conti jedoch erst zum Ende der 1760er Jahre. Er betrieb dafür einen sehr hohen Aufwand, vor allem finanzieller Art, so daß die Sammlungen zum Zeitpunkt seines Todes 1776 zu den größten der Stadt Paris gezählt wurden.
[P] Conti stellte sein Kabinett, wie Sammlungen damals genannt wurden, innerhalb kürzester Zeit zusammen. Er konnte dabei weder auf eine ältere Familiensammlung zurückgreifen – wie etwa bei den Condé oder den Orléans – noch auf eine Sammlung des Malteserordens. Beides hätte auch nicht seinen Ambitionen entsprochen, da er selbst als großer Sammler in Erscheinung treten wollte. Mit Hilfe eines Netzwerks von Händler-Experten, die ihn zugleich berieten und für ihn einkauften, erwarb er in den 1770er Jahren eine enorme Anzahl von Kunstwerken und zum Teil ganze Sammlungen. Zu den Experten in seinem Umkreis gehörten Pierre Rémy, wichtigster Kunsthändler in Paris nach Gersaint und Spezialist für italienische und französische Kunst, Alfonso Miliotti als Spezialist für Antiken und Gemmen, Alexandre-Joseph Paillet als Kenner der nordischen Schulen und nicht zuletzt auch Jean-Baptiste Pierre Le Brun, dem wohl agilsten und einflußreichsten Händler des ausgehenden Ancien Régime. Le Brun war bekannt für seine internationale Vernetzung und sollte eine wichtige Rolle in den Diskussionen um die Errichtung des Louvre als Museum während der Revolution spielen. Dieses Team aus Spezialisten versorgte Conti mit den wichtigsten Werken, die man zu der Zeit in Paris erwerben konnte.
Unter den Kunstwerken sind beispielhaft zu nennen [P] Pietro da Cortonas Laban und Jakob, Annibale Carracis Vierge aux cerises oder die beiden Ansichten des [P] Ponte rotto und des Ponte Sant-Angelo von Joseph Vernet, alle vier heute im Louvre; [P] zu nennen sind auch die heroische Landschaft Claude Lorrains in der National Gallery of Ireland in Dublin, Gerrit Dous Geflügelhändlerin in der Londoner National Gallery oder auch Louis-Jean-François Lagrenées Mars und Venus, heute im Getty, um eines der jüngsten Gemälde aus der Sammlung Conti zu zeigen.
Finanzen
[P] Diese kleine Auswahl von Meisterwerken zeigt, daß Conti nicht nur viel kaufte, sondern auch bereit war, für gute Werke viel auszugeben, schließlich zählt Cortonas Laban und Jakob, für das Conti 30 000 Livres bezahlte, zu den teuersten Werken des Jahrhunderts. Den Stellenwert, den er seinen Sammlungen zumaß, kann man im Vergleich zu seinen übrigen Ausgaben und mit Blick auf die Einnahmen erkennen. Als Großprior des Malteserordens für Frankreich erhielt Conti ab 1749 etwa 60 000 Livres an Kommende.[4] Durch eine aktive Bau- und Wirtschaftspolitik im Enclos konnte er die Einnahmen des Ordens und in der Folge auch seine eigenen erhöhen, auf über 130 000 Livres im Jahr 1775. Mit den Einkünften aus seinen Ländereien – hier vor allem der Holz- und Landwirtschaft –, den Zuwendungen der Krone für verschiedene Ämter und dem Verkauf von Ländereien kam er in den 1770er Jahren auf jährliche Einnahmen zwischen 1,4 und 3 Millionen Livres, wie hier auf der Präsentation dargestellt ist. Demgegenüber stehen offizielle Ausgaben in den Rechnungsbüchern von 1,3 bis 2,6 Mio. Livres pro Jahr. Auf den ersten Blick scheint also sein Haushalt ausgeglichen, nach genauerer Betrachtung aber bemerkt man, daß die offiziellen Zahlen nicht mit den tatsächlichen Ausgaben übereinstimmen.
Aufgrund der Zahlungsmodalitäten ist es extrem schwierig, die Ausgaben für die Kunstsammlungen präzise zu beziffern. Sie wurden in den Haushaltsbüchern des Prinzen unter anderem unter der Rubrik der menus plaisirs et extraordinaires de Monseigneur geführt. Unter menus plaisirs verstand man im 18. Jahrhundert die ‚kleineren Vergnügungen‘, im fürstlichen Haushalt etwa die Ausgaben für Feste, Feiern, Opern, Musik etc. Man ist versucht, diese Ausgaben unter dem Stichwort „Luxus“ zu subsummieren, schließlich werden sie bereits im Haushaltsbuch unter der Kategorie der „plaisirs“, also nicht einem direkten Nutzen zugeordnet.[5] Die Höhe der Sammlungsausgaben wird in der historischen Forschung zu Conti mit etwa 2,7 Millionen Livres beziffert, ohne daß diese Zahl jedoch in den Archiven genau überprüft werden kann. Die Schwierigkeit bei der Berechnung besteht darin, daß der Prince de Conti grundsätzlich mit Leibrenten bezahlte, das heißt nur einen Bruchteil direkt beglich und den Rest abstotterte. Er kaufte auf Pump, deswegen findet sich in seinen Haushaltsbüchern nur ein kleiner Teil der Ausgaben innerhalb der menus plaisirs wieder.[6] Conti hatte insgesamt in den 1770er Jahren knapp 2,5 Mio. Livres für menus plaisirs ausgegeben, das sind 22% der in den Büchern verzeichneten Gesamtausgaben von über 11 Mio. Livres. Zusammen mit den Schätzungen für die Sammlungen kommt man auf Ausgaben von über 4 Mio. Livres für die kleineren Gefälligkeiten, die luxuriösen Vergnügungen und die Kunst. Dies zeigt deutlich den hohen Stellenwert, den der Fürst den Luxusausgaben und der Kunst zumaß.
[P] Conti betrieb in den 1770er Jahren einen exzessiven finanziellen Aufwand für seine Sammlungen, die nur wenig Vergleichbares zu der Zeit kannte.[7] Seine Einkäufe waren in Paris legendär, eine ganze Schar von Kunsthändlern umkreiste den Temple und nutzte jede Gelegenheit, dem Prinzen neue Werke zu verkaufen. Auf ihn trifft zu, was Louis-Sébastien Mercier kritisch als die [P] „manie couteuse et insensée des tableaux“, also „die teure und unsinnige Manie der Gemälde“ bezeichnete.[8] Mercier geht noch darüber hinaus: [P] „C’est une folie de consumer son patrimoine en curiosités […]. Ces arts sont faits pour figurer dans des salons publics, et non dans des cabinets. L’amateur immodéré n’est qu’un maniaque.“[9] Damit reiht sich Mercier ein in die große Schar an Luxuskritikern, die im 18. Jahrhundert im Luxus den Untergang der französischen Zivilisation und Moral, aber auch Wirtschaft sahen.[10] Jedoch ist der volkswirtschaftliche Nutzen solcher Ausgaben nicht zu verkennen. Bereits 1736 hatte Voltaire seinem Mondain einen offenen Brief an die Comtesse de Verrue, der wohl wichtigsten Sammlerin holländischer Kunst des frühen 18. Jahrhunderts, beigelegt, in dem es heißt: [P] « […] combien ce goût des beaux arts, et cet emploi des richesses […] qu’on nomme luxe, sont nécessaires pour la circulation de l’espèce et pour le maintien de l’industrie […]. Combien de familles de Paris subsistent uniquement par la protection que vous donnez aux arts? » Die Sammler trügen durch ihre Ausgaben für Gemälde, Stiche, Kuriositäten zum Überleben ganzer Familien bei, die sonst ins Ausland abwandern müßten.[11] Die Argumentation, die an Mandevilles Losung von den private vices, public benefits erinnert und der Werner Sombart in seiner Untersuchung zum Luxus und Kapitalismus folgen sollte, ist für den großstädtischen Kunst- und Luxusmarkt sicherlich richtig, wenn man sich anschaut, wie stark er im 18. Jahrhundert gewachsen ist.[12] Schließlich galt Paris parallel zum Aufkommen einer reichen höfisch geprägten Salonkultur als Zentrum der europäischen Mode und stieg im Laufe des 18. Jahrhunderts neben Amsterdam und London zur internationalen Drehscheibe für den europäischen Kunstmarkt auf.[13] Auch die Verschwendungssucht eines Prince de Conti trug zum Aufblühen dieses europaweit bedeutsamen Luxus- und Kunstmarktes bei.[14] »Après les filles«, so erinnert sich nach dem Tod des Prinzen Gault de Saint-Germain an den Verlust (nicht nur) für den Pariser Kunstmarkt, »Après les filles, les brocanteurs sont ceux qui perdent le plus à la mort du Prince de Conti.«[15] So ist in der Tat festzustellen, daß bis zum Tode des Prinzen der Wert von Kunstwerken auf den Auktionen kontinuierlich stieg, mit dem Verkauf seiner Sammlung der Kunstmarkt dann jäh abstürzte!
[P] Als Conti starb, hinterließ er dem Sohn nicht nur offiziell seinen gesamten Besitz samt einem Geldbetrag von über 500 000 Livres, sondern auch enorme Schulden. Diese hatten sich bei den Pariser Händlern dermaßen hoch angehäuft, daß sein Sohn als Universalerbe nicht nur die gesamte Sammlung 1777 mit Verlust verkaufen mußte, sondern darüber hinaus weiteren mobilen und immobilen Besitz veräußerte. 1783 schließlich verkaufte er alle Ländereien der Familie an die Krone, nicht nur, aber auch wegen der Schulden des Vaters – ein in der französischen Geschichte meines Wissens singulärer Vorgang! Der Prince de Conti hatte zum Beispiel dem Duc de Choiseul, von dem er 1772 und 1775 über die Hälfte seiner Sammlung abgekauft hatte, zum Zeitpunkt seines Todes noch 80 000 Livres geschuldet. Der Bankier Laborde erwartete vom Prinzen noch die Begleichung von über 825 000 Livres, die er ihm für verschiedene Kunsteinkäufe geliehen hatte. Bei einem anderen Bankier und Sammler, Nicolas de Beaujon, stand er mit über einer Mio. Livres in der Kreide. Insgesamt beliefen sich die Schulden des Prinzen auf über 3 Mio. Livres, nicht ausschließlich, aber zu einem großen Teil aufgrund der Ausgaben für Kunst. Mit Blick auf die gängigen Definition von Luxus im 18. Jahrhundert als „somptuosité“ oder „dépense excessive“ sind die Ausgaben des Prinzen für seine Kunstsammlungen in der Tat als Luxus zu verstehen.[16]
Funktion der Sammlungen im fürstlichen Selbstbild: Magnifizenz und Luxus als Distinktionsmittel
[P] Leitmotiv von Contis Ausgaben im Bereich der menus plaisirs war ganz allgemein das Vergnügen und die Distinktion durch luxuriöse Konsumption. Solche Ausgaben waren beim Hochadel üblich und wurden im 18. Jahrhundert allgemein anerkannt, auch wenn sie nicht unwidersprochen blieben. Contis Feindschaft gegenüber den Reformen Turgots in der Mitte der 1770er Jahre war sicherlich auch dem Umstand geschuldet, daß die Physiokraten, denen Turgot nahestand, diese Art der durch feudale Privilegien finanzierten Herrschaft einschränken wollten. Auch wenn Conti exzessiv bei seinen Ausgaben für Luxus war, die anderen Prinzen von Geblüt und Fürsten, auch im Reich, standen ihm darin in nichts nach.[17] Der nach außen getragene Überfluß, etwa in Form einer sehr großen Kunstsammlung, war ein Zeichen der sozialen Unterscheidung. Der Luxus war nicht nur angenehm und standesgemäß, sondern diente der gesellschaftlichen Elite als Distinktionsmittel. Luxus und Kunstsammlungen waren Teil eines [P] „esprit de magnificence“, wie Madame de Genlis sich in ihren Erinnerungen ausdrückt.[18] In dem « luxe extrême » der Großen sah die Erzieherin der Prinzen Orléans nichts verwerfliches, im Gegenteil.»Le luxe avait de la grandeur«, so Madame de Genlis weiter, »parce qu’il était aussi peu frivole qu’il peut l’être et que, n’ayant rien de faux, les fortunes médiocres n’y pouvaient atteindre; alors il était une distinction.«[19] Der Luxus gehörte zur Grandeur eines Prinzen, der sich damit von der großen Menge an weniger Wohlhabenden absetzte.[20] Er war „Ausdruck von Rang und Stand“, wie Norbert Elias Max Weber folgend schreibt, und Teil der « culture des apparances », wie Daniel Roche sie beschrieben hat, dem auch jüngere Forschungen etwa von Antoine Lilti folgen.[21] Darüber hinaus wird der im 18. Jahrhundert von anderer Seite vielfach kritisierte Luxus bei Madame de Genlis zur Geste der Magnifizenz, die dem Allgemeinwohl diene.[22] So wurde Luxus eine »dépense des choses qui sont de grande utilité au public«, also als « Ausgaben die der Öffentlichkeit von großem Nutzen sind », wie Magnifizenz von Louis de Jaucourt in der Encyclopédie definiert wurde.[23]
Die Sammlungen. Zusammensetzung und Präsentation
[P] Der Aufbau der Kunstsammlung war Teil einer Strategie des Prince de Conti, seine immer stärker in Frage gestellte Position in der Gesellschaft zu stärken. Zu diesem Zweck bediente er sich der Ideen und Forderungen einer aufgeklärten Öffentlichkeit und kombinierte sie mit seinem traditionellen adeligen Selbstverständnis. Dies geschah nicht ohne Widersprüche. Meines Erachtens läßt sich die gegenseitige Beeinflussung von aufgeklärten und traditionell adeligen Vorstellungen an zwei Punkten innerhalb des Kabinetts des Temple sehen: an der Zusammensetzung und an der Präsentation der Sammlungen. Ziel des Prinzen war es dabei, hinter seinen persönlichen und durch den Hof konditionierten Interessen Allgemeinwohl und Bildung zu vermitteln.
[P] Wir sehen auf den ersten Blick im Kabinett des Temple eine barock anmutende Fürstensammlung, in denen artificialia, naturalia, scientifica und curiosita vertreten sind.[24] Die hier gezeigten Skizzen von Gabriel de Saint-Aubin aus dem Katalog des Verkaufs Conti 1777 verraten ein wenig von den verschiedenen Objekten im Kabinett. Zu seinen Sammlungen zählten Gemälde, Miniaturen, Graphiken, neuzeitliche Plastiken aber auch Antiken, Gemmen und Medaillen ebenso wie naturhistorische und exotische Objekte, Kuriositäten, Chinoiserien und Turquoiserien; daneben wurden im Katalog von 1777 auch Uhren, Schmuck und technisch-wissenschaftliche und musikalische Instrumente aufgeführt.
[P] Die Kunstsammlungen selbst bestanden zum Zeitpunkt seines Todes aus etwa 1170 Gemälden, 430 Zeichnungen und 100 Skulpturen. (Nur als Vergleich: Der König besaß knapp 1500 Gemälde, der Duc d’Orléans um die 400 Werke, der Duc de Choiseul etwa 150, was den normalen Sammlungen der Zeit schon nahe kommt.) Der Prince de Conti jedenfalls war darum bemüht, im Rahmen der damaligen Geschmacksvorstellungen und Kenntnisse möglichst breit zu sammeln, möglichst umfassend zu kaufen. Das betrifft bei den Kunstsammlungen die Auswahl der Schulen, wo er sich zwar auf die drei bzw. vier Hauptschulen Italien, Frankreich, Flandern und Holland konzentrierte, aber Spanien und Deutschland nicht völlig außer acht ließ. Er gab den Franzosen mit 39 Prozent den Vorrang, Holland besetzte mit 28 und Italien mit 19 Prozent das Mittelfeld, Flandern schließlich folgte mit 5, Deutschland mit 2 und Spanien mit einem halben Prozent. Der hohe Anteil von Franzosen ist ein seit den 1750er Jahren festzustellender Trend, aber nach wie vor eher ungewöhnlich bei den französischen Sammlern. Die Neigung zu holländischen Kleinmeistern des 17. Jahrhunderts entspricht schon eher den Geschmacksneigungen der Zeit. Hervorzuheben ist der recht hohe Anteil von Italienern, der durchaus in eine königliche oder fürstliche Sammlung früherer Jahrhunderte paßte, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts allerdings schon wieder ungewöhnlich war.[25] Unter den neu aufgebauten Sammlungen stellt dieser Anteil an Italienern fast schon ein Alleinstellungsmerkmal dar!
Umfassend wollte Conti aber auch mit Blick auf die damals geschätzten Epochen sammeln. Man kann zwar eine Konzentration auf das 17. und frühe 18. Jahrhundert feststellen, aber auch das 16. und die zeitgenössische Kunst wurden von ihm nicht ignoriert. Auch die Verteilung der Genre bzw. der Sujets in seiner Sammlung läßt bestimmte Vorlieben etwa für die Historienmalerei erkennen, aber man ist weit davon entfernt, hier allein den persönlichen Blick des Sammlers zu sehen, sondern kann das Bemühen um einen großen Überblick über die Entwicklung der Künste erkennen. Conti kaufte große Meister ebenso wie kleinere Namen und zeigte damit ganze Filiationen der künstlerischen Produktion. Bei der differenzierten Auswahl ist der kenntnisreiche Einfluß der Experten und Händler zu spüren.
[P] Auch in der Präsentation der Werke verrät Conti einen überlegten Umgang mit den Sammlungen. Ziel war es, hier einen vergleichenden Überblick über die verschiedenen Schulen und Gattungen zu geben.[26] Auf der Präsentation sieht man den Grundriß des Palastes, das Erdgeschoß, und eine Außenansicht vom Garten. Die Disposition war Ausdruck sowohl eines Systematisierungsansatzes als auch einer Hierarchisierung der Teilsammlungen: Die großen repräsentativen Räume im Erdgeschoß (die „pièces francoises“, Nr. 7-9) waren vor allem mit den italienischen und französischen Künstlern, oft mit großformatigeren Historienbildern behängt, die kleineren Räume (Nr. 2-3, 11-10) eher mit nordischen Landschaften und Stilleben. Praktische und repräsentative Überlegungen spielten hier die wichtigste Rolle. In den privateren Räumen des Seitenflügels (Nr. 1, 4-5, 12-13) und des ersten Stocks fanden sich neben den Gemälden naturhistorische und wissenschaftliche Sammlungen mit dazugehörigen Zeichnungen zum Studieren. Die Antiken in Verbindung mit der klassischen Literatur waren vor allem in der angebauten Galerie (15) zu betrachten. In seiner etwa 1200 Bücher umfassenden Bibliothek fand man die entsprechende Fachliteratur, um Spezialkenntnisse in den einzelnen Sparten zu erlangen, wie das Inventar von 1776 verrät.
Im Unterschied zu den fürstlichen Kunst- und Wunderkammern früherer Jahrhunderte, wo es noch um das Abbild einer höheren geistlichen oder weltlichen Ordnung im Kleinen ging, haben wir es hier im Temple mit einer enzyklopädisch angelegten Universalsammlung zu tun. Das Kabinett des Temple war keine ›Wunderkammer des Wissens‹ mehr, sondern ansatzweise eine nach Arten und Schulen geordnete Sammlung; sie war im Sinne der Encyclopédie der sammlerische Versuch eines ›Dictionnaire raisonné et visuel des Sciences et des Arts‹.[27] Zum Teil wurden die einzelnen Gattungen analog zur Differenzierung der Wissensdisziplinen im Palast in eigenen Räumen gezeigt, zum Teil aber auch in barocker Tradition zu einem Gesamteindruck verschmolzen. Die Grundidee der Ordnung der Sammlung war neben den repräsentativen Aufgaben das vergleichende Sehen, wie es für eine aufgeklärte Sammlung gefordert wurde. In einigen Räumen wurden die Gemälde bereits nach Schulen geordnet, ohne daß es sich hier allerdings um einen wissenschaftlichen oder historischen Zugang zum Werk gehandelt hätte.[28] Der Prinz selbst war an der Sache an sich interessiert. So ist es nicht verwunderlich, daß zum Zeitpunkt seines Todes in seinem Schlafzimmer nicht etwa anzüglich-frivole Bilder eines Bouchers zu finden waren, sondern eine Reihe von 197 Studien mit naturhistorischen Sujets![29]
Privatsammlungen als Vorform des Museums: Sammlungen als Ort der Bildung
[P] Wenn man die Frage nach den Sachen der Aufklärung stellt, also von der Materialität von Wissen und Kultur, sieht man sich auf dem Gebiet der Kunst im 18. Jahrhundert mit der Entstehung des Museums als öffentliche Bildungseinrichtung konfrontiert. In der Vorgeschichte der Museumsentwicklung spielten private Sammler wie Conti eine konstruktive Rolle. In privaten Kabinetten wurden bestimmte Ideen entwickelt und umgesetzt, die sich als erkenntnisfördernd erwiesen, oft bevor die offiziellen staatlichen Institutionen den privaten Initiativen folgten (z.B. Crozat). Wichtigste Forderung bei der Diskussion um die Entwicklung des öffentlichen Museums war die Frage der Bildung. Kabinette hatten in den Augen der Zeit die Aufgabe, Ansprüchen an die eigene sowie öffentliche Bildung zu genügen. In dem Zusammenhang wurde im Laufe des 18. Jahrhunderts die Öffnung einer Sammlung immer stärker gefordert. Der Abbé Le Brun spricht in seinem Almanach diese Aspekte des gegenseitigen Nutzens an: [P] « Le progrès des Arts & l’entretien du goût tiennent essentiellement à la connoissance des Cabinets […] on ne doit pas considérer [les cabinets] comme objets de luxe, mais d’utilité. […] Le plaisir de l’ouvrir aux Curieux & aux Artistes est, pour ceux qui aiment les talens & la patrie, une nouvelle jouissance. »[30] Man solle Sammlungen nicht als Luxusobjekte, sondern als nützlich für das Vaterland und die Entwicklung der Künste betrachten.[31] Um über Kunst urteilen und sie auch kritisieren zu können, müssen die Künstler und das interessierte Publikum ihren Geschmack bilden und den Vergleich suchen. Dabei sollte die Bildung der Urteilskraft stärker aus der Auseinandersetzung mit Kunst und weniger aus akademischen Maßstäben resultieren. Voraussetzung hierfür sei, daß die Sammlungen dem Publikum geöffnet und angemessen präsentiert würden.
(Das sind europäische Überlegungen, die keineswegs allein in Frankreich Verbreitung fanden. So vergleicht 1762 Christian von Hagedorn etwa ein Museum mit einer Bibliothek, wenn er betont, daß „man für jegliche Schule der Mahlerey, wie in der Bibliothek für jegliches Fach der Wissenschaft sorgen“ müsse.[32] Auch Johann Georg Sulzer schreibt etwas später in seiner Allgemeinen Theorie der Schönen Künste, daß „Galerien für die zeichnenden Künste, was die öffentlichen Bibliotheken für die Gelehrsamkeit [sind]: Schätze zum öffentlichen Gebrauch der Künstler“.[33]) Es wurde für die großen Sammler geradezu eine Pflicht, die Objekte ihrer Leidenschaft mit anderen zu teilen. Sie sollten den Künstlern Vorbilder an die Hand geben und als Multiplikatoren wiederum auf andere Sammlungen einwirken, um damit die Kultur des Landes insgesamt zu fördern.[34] (Nebenbei bemerkt, führten solche Überlegungen nicht nur zur Präsentation von Werken der königlichen Sammlung im Palais du Luxembourg zwischen 1749 und 1776, sondern ließen auch den Baudirektor d’Angiviller Pläne zu einer öffentlichen Sammlung im Louvre unter Ludwig XVI. entwickeln. Anders als bei einigen privaten Kabinetten des Adels und reicher Bürger wurden diese Planungen allerdings nicht umgesetzt bzw. erst während der Revolution angegangen. Der Händler Le Brun unterstreicht im Vorwort des Katalogs Destouches aus dem Jahr 1794 die bildende Funktion der privaten Kabinette: [P] „[…] chaque individu doit contribuer de tous ses moyens aux progrès et la perfection des arts, où par devoir chacun est essentiellement lié à la chose publique; […] chaque Cabinet particulier va devenir un muséum ouvert à tous les Artistes, une source où chacun d’eux pourra puiser de nouvelles lumières.“[35]) Ähnlich wie die Salons, die das literarische und politische Leben der Stadt Paris anregten, wurden Kabinette zu neuen Orten einer adelig-bürgerlichen Geselligkeit, die das kulturelle Leben wesentlich bereicherten. Auch auf diesem Feld fand ein Emanzipationsprozeß von den offiziellen Normen hin zu einem individuellen, diskursiven Raum statt.[36]
[P] Es ist zu vermuten, daß auch der Prince de Conti neben seinem Salon auch mit seinem Kabinett Anteil an dieser Entwicklung nehmen wollte. Für die Öffnung zumindest eines Teils seiner Sammlung spricht zum einen, daß in den Archives Nationales Planungen für einen Ausstellungssaal im Temple liegen, die hier zu sehen sind und die vermutlich auf den Prince de Conti zurückgingen. Der Plan zeigt eine eingeschossige, aus drei Räumen bestehende „salle d’exposition“, die durch ein Zenitallicht erhellt wurde.[37] Ebenso wie der schließlich vom König geschlossene Theatersaal, den Conti in den 1760er Jahren hat erbauen lassen, wäre ein solcher Raum als Ausstellungshalle öffentlich zugänglich gewesen und hätte Teile der Sammlung gezeigt. Auch damit wäre er dem Vorbild der Orléans im Palais Royal gefolgt, wo nicht nur ein großer Opernsaal zu den wichtigen Zentren der Pariser Kultur gezählt wurde, sondern auch die Sammlungen unregelmäßig öffentlich zugänglich waren.[38]
[P] Ebenfalls für die Vermutung, daß Conti seine Sammlungen stärker geöffnet hätte als er es im Endeffekt vermutlich getan hat, spricht die Tatsache, daß der Kunsthändler-Experte Le Brun für ihn ein Projekt zur optimalen Präsentation des Kabinetts entwarf. Le Brun hatte sechs Monate vor dem Tod des Sammlers ein Gesamtkonzept für die richtige Zusammensetzung und Präsentation des Kabinetts entworfen. Durch die Konzentration auf wichtige Positionen der Kunstgeschichte und eine Kombination verschiedener Gattungen könne Conti bei einem »publique éclairé« große Anerkennung erlangen.[39] Conti könne, so Le Brun, etwa durch den Kauf der italienischen Historienmalerei zu einer Zeit, in der sich die Sammler vor allem den nordischen Meistern und immer stärker der französischen Kunst zuwenden, sich als ein dem Wohl des Landes verpflichteter Sammler zeigen, der sich für die Ausbildung der Künstler einsetzt und den etwaigen Verkauf von Meisterwerken ins Ausland verhindert.[40] Die Großen des Landes – allen voran natürlich der Prince de Conti – müßten die Herrschereigenschaft der Magnifizenz erfüllen und der Nation als Vorbild vorangehen. »C’est à Monseigneur à opérer cette révolution«, fordert er den Prinzen auf. Zweiter wichtiger Punkt in Le Bruns Projekt ist die richtige Präsentation der Werke, die er nach dem künstlerischen Wert eines Gemäldes und anschließend nach Genre und Größe, den traditionellen Mustern der barocken Gemäldegalerie, hängen würde. Die systematische Hängung steht hier noch hinter der ästhetischen Betrachtungsweise zurück. Um die ganze Bandbreite einer Sammlung mit verschiedenen Spezialkabinetten zeigen zu können, werden jedoch den einzelnen Räumen des Palastes bestimmte Funktionen zugeordnet. Die Spannweite reicht von Kabinetten, also kleineren, intimen Räumen mit lieblichen Sujets, bis hin zu großen Galerien mit Meisterwerken der Historienmalerei. Wir finden diesen differenzierten Zugang zum Werk zum Teil in der Disposition der Werke im Palais du Temple wieder.
[P]Daneben macht Le Brun detaillierte Vorschläge zur besseren Rahmung und Beleuchtung der Werke durch ein Oberlicht. Oberlichtlösungen waren nicht völlig neu in Paris, etwa im Palais Royal wurden die besten Gemälde so präsentiert, jedoch hatte sich dies noch lange nicht durchgesetzt, wie die Diskussionen um die angemessene Präsentation der Werke im Louvre ab 1792 zeigt (und die man hier auf der Projekt Hubert Roberts anschaulich sehen kann). Le Brun sollte in diesen Auseinandersetzungen als einer der engagiertesten Protagonisten für die Oberlichtlösung plädieren, die er für Contis Sammlung zum ersten Mal theoretisch entwickelte. Er selbst ließ sich einen großen Auktionssaal mit einem großflächigen Oberlicht in seinem Hôtel durch den Architekten Jean-Arnaud Raymond erbauen, der dem neusten Stand der Kunstpräsentation entsprach.
Das Projekt für den Prince de Conti regte Le Brun also zu einer theoretischen Überlegung über die Präsentation von Kunstwerken an, die später auch im Louvre diskutiert werden sollte. In einer Zeit, als in Frankreich lediglich im Palais du Luxembourg die Sammlungen des Königs teilweise zugänglich waren und das Kunstpublikum ansonsten auf die Salon-Ausstellungen oder den Besuch von Kirchen oder privaten Sammlungen für das Sehen von Kunst angewiesen war, entwickelte Le Brun für den Prince de Conti eine Ausstellungskonzeption, die wohl tatsächlich zur Bildung und zum Allgemeinwohl des Landes beigetragen hätte, wenn sie denn umgesetzt worden wäre.[41] Zu einer Realisierung des gesamten Projekts ist es nicht mehr gekommen, da der Prinz kurze Zeit später starb.
Ergebnis/Schluß/Fazit: Der nützliche Luxus
[PPP 17] Der Schluß liegt nahe, daß der Prince de Conti die Konzeption seiner Sammlungen noch nicht abgeschlossen hatte und sein Kabinett zu einem späteren Zeitpunkt einem größeren Publikum hätte öffnen wollen. Er wollte sich dadurch mit Blick auf die nur unzureichend umgesetzten Planungen zu den königlichen Sammlungen als der aufgeklärtere Fürst präsentieren, der sich für die öffentliche und künstlerische Bildung einsetzt. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig zu erwähnen, daß die Hochphase von Contis Sammeltätigkeit einhergeht mit einer ungekannten Oppositionstätigkeit nach der Auflösung des Parlaments 1770, die zeitweilig fast alle Prinzen von Geblüt erfaßte. Als Ludwig XV. schließlich 1774 stirbt und sein Nachfolger das alte Parlament wiederherstellt, wird der Prince de Conti eine Zeit lang als der Verteidiger des Vaterlands gefeiert, der für die Freiheit und gegen den Despotismus kämpft. Die hier präsentierte Zeichnung Philippe-Louis Parizeaus etwa zeigt Conti als défenseur de la patrie, der die Feinde Frankreichs zu Boden wirft. Allerdings verlieren nach 1774 sowohl das Parlament als auch der Hochadel an Ansehen in der Bevölkerung und werden immer stärker als Elemente der politischen Blockade gegen dringende Reformen empfunden. Die Sammlungen sind zusammen mit der Förderung Rousseaus, Beaumarchais‘ und auch Diderots, der von Conti eine monatliche Rente erhielt, als Teil einer großen gesellschaftlich-politischen Offensive zu verstehen, die die Position des Adels gesellschaftlich stärken, sogar neu legitimieren soll.[42] So ist das Sammeln von Kunst und die Förderung von Literaten und Musikern zusammen mit seinem Salon und dem Theater für Conti Teil einer Strategie, von sich das Bild eines prince savant zu erzeugen,[43] das mit dem Bild eines trägen und an der Förderung der Kunst, Literatur und Philosophie nur unzureichend interessierten Königs kontrastierte.
[P] Auch wenn Conti die meisten politischen Ideen der Aufklärung nicht teilte, wurde er durch seine Haltung und Handlung im Paris des 18. Jahrhunderts ein weiteres Element der Kritik am Absolutismus.[44] Dies mag paradox erscheinen, ist aber in einer Mischung aus intellektueller Neugierde und politischer Strategie verständlicher. Man mag es als eine Bestätigung dieser These verstehen, daß der Prince de Conti auf der wohl bekanntesten Salon-Darstellung des frühen 19. Jahrhunderts, nämlich Lemonniers Salon de Mme Geoffrin in aufgeklärter Runde anwesend ist, [P] und zwar als einziges Mitglied der königlichen Familie!
[P] Ich komme zum Schluß: Man muß feststellen, daß im 18. Jahrhundert die Kunst und die Museen nicht das Hauptinteresse der Aufklärer auf sich zogen. Zu stark wirkte offensichtlich das Ansehen der Kunst als etwas Nutzloses, der höfischen und kirchlichen Repräsentation Dienendes, das sich der Rationalisierung und dem theoretisierenden Diskurs entzieht. Die Schriften Winckelmanns und die Salonkritiken Diderots, die allerdings nur einem kleinen Kreis zugänglich waren, sind neben den Überlegungen zur Ästhetik durch Baumgarten, Burke und dann vor allem durch Kant sicherlich rückblickend wichtige Entwicklungen zur Historisierung und Systematisierung der Kunst gewesen. Doch gibt es meines Wissens bis zum Ende des 18. Jahrhunderts keine grundsätzliche theoretische Überlegung zu Museumsfragen aus dem Geist der Aufklärung heraus. Die theoretische Reflexion stand hinter der Praxis in den königlichen, fürstlichen und reichen bürgerlichen Sammlungen zurück. In den Privatkabinetten, die durch die oft kritisierten Luxusausgaben geformt wurden, wurden Ideen lange vor den großen Debatten etwa der Revolutionszeit entwickelt, die neben der Repräsentation auch das Wohl und die Bildung der Öffentlichkeit zum Ziel hatten.
Als der Prince de Conti 1776 stirbt, wird in Kassel das Museum Fridericianum als erstes öffentliches Fürstenmuseum in einem eigenständigen Gebäude eröffnet. Das Reich ist hier aufgrund der stimulierend wirkenden Konkurrenz der Höfe untereinander sehr viel weiter als Frankreich. Eine Sammlungskonzeption wie die des Prince de Conti ging aber in eine ganz ähnliche Richtung und trug auf seine Weise zur Entwicklung des Museumsgedankens in Frankreich bei.[45] Die „unnützen Sachen“ der Kunst und Kultur, der luxuriöse Lebenswandel dieses Hocharistokraten, leisteten meines Erachtens einen kleinen Beitrag zur Entwicklung des öffentlichen Museums in Frankreich. [46] Mit seinen Kunstsammlungen trug Conti ein klein wenig bei zur ›Entstehung der modernen Kunstwelt aus dem Geist der Verschwendung‹.[47]
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Anmerkungen
[1] 1) Pietro da Cortonas Laban und Jakob, einem der Meisterwerke Cortonas im Louvre und das teuerste Bild des 18. Jahrhunderts in Frankreich (36 001 Livres), 2) Annibale Carraci Vierge aux cerises, 3) Paulus Potters La Prairie, ebenfalls eines der extrem teuren Werke im 18. Jahrhundert (19 000 Livres), 4) Philippe de Champaignes La Cène, 5) Carle van Loos Äneas und Anchise, 6) Le Nains Schmiede, 7) Cesaris Vertreibung aus dem Paradies, die 8) Pendants der Engelsbrücke und des Ponte rotto in Rom von Joseph Vernet, oder auch 9) Anne Vallayer-Costers Panache de mer, alle im Louvre. Zu den Meisterwerken in Contis Sammlung zählten auch ein dem 10) Umkreis Raffaels zugeschriebens Madonnenbild in Princeton, 11) eine heroische Landschaft Claude Lorrains aus Dublin, 12) François Lemoynes Narziß aus der Hamburger Kunsthalle, 13) Lagrenées Mars und Venus und Ruisdaels Schleuse, beide heute im Getty Museum; 14) Le Sueurs Schlafende Venus in San Francisco, 15) Veroneses Verkündigung in Washington; 15) Poussins Eliazar in Boston, 16) Rembrandts Landschaft mit Kutsche in der Wallace Collection in London, aber auch Vorstudien von 17) Rubens wie Die Versöhnung von Jakob und Esau in der National Gallery of Scotland in Edinburgh, 18) ter Borchs Familie des Steinschleifers in der Berliner Gemäldegalerie oder auch 19) Gerrit Dous Geflügelhändlerin in der Londoner National Gallery.
[2] »Le prince de Conti, protecteur officiel de Rousseau depuis 1762, fut l’un des instigateurs de cette opposition, l’âme de la subversion selon certains contemporains qui l’accusèrent d’avoir protégé, pensionné et excité les pamphlétaires (don’t Beaumarchais).« (Grell 1995, S. 1157.)
[3] »Retiré dans son palais et même dans les tours, le prince de Conty y vécut libre et éloigné de toutes les intrigues de la Cour, où il ne reparut plus. Il étoit, dans son temps, le prince qui manifestoit davantage le désir d’une réforme dans les différens ordres de l’État. […] Il étoit juste par principe et libéral sans ostentation, et aimoit à descendre du rang où le sort de sa naissance l’avoit placé. Ses manières, qui quelquefois pouvoient paroître brusques, étoient franches et ouvertes. Ses liaisons intimes avec la marquise de Boufflers sont connues; il se rendoit assiduement chez cette dame; il y trouvoit une société de gens d’esprit avec lesquels il aimoit à épanouir son âme […]. Il aimoit les beaux-arts, et sur tout les arts mécaniques; ce fut lui qui fit élever les petites maisons dans la cour de la Corderie, pour loger ses ouvriers en tous les genres, auxquels, à sa mort, il laissa des marques à sa générosité.« (Barillet 1809, S. 195.)
[4] Eine livre entsprach zwanzig sols, ein sols zwölf deniers; unter Ludwig XVI. existierten verschieden Münzen: die Goldmünzen waren die double-louis (= 48 Livres), louis (=24 Livres bzw. 4 écus) und der 1/2 louis (= 12 Livres), bei den Silbermünzen der Ecu (= 6 Livres), der petit écu (= 3 Livres), der 1/5 d’écu (= 24 Sols), der 1/10 d’écu (= 12 Sols), der 1/20 d’écu (= 6 Sols) und in Kupfer der liard (= 6 deniers). 1795 wird die Livre durch den Franc ersetzt und im Dezimalsystem untergliedert (décimes und centimes), ein Ecu entsprach bis 1914 sechs Francs. (Laut Wikipedie-Eintrag entsprach wohl zwischen 1760-1780 mit aller Vorsicht und Ungenauigkeit eine »gemünzte Silber Livre« 5 bis 15 Euro.
[5] Die Bezeichnung menus plaisirs geht auf die Organisation des königlichen Haushalts, der Maison du roi, zurück, wo der Service de l’administration de l’Argenterie, Menus-Plaisirs et Affaires de Chambre du roi als Teil der königlichen Finanzverwaltung in erster Linie die Verwaltung von Theater, Musik, Oper und der Feierlichkeiten zu verantworten hatte. Anders als bei der königlichen Finanzverwaltung, in der die Kunstsammlungen der Baudirektion bzw. dem Garde meuble zugewiesen waren, wurden sie beim Prince de Conti den menus plaisirs subsummiert.
Der fürstliche Haushalt des Jahres 1770 ist gut dokumentiert, so daß es kurz exemplarisch vorgestellt werden soll. Es lassen sich folgende Ein- und Ausgaben ermitteln: Auf der Einnahmenseite stehen über 3,7 Mio. Livres, die sich zusammensetzen aus königlichen Pensionen, die Conti als Prinz von Geblüt (54 000), als Mitglied des Ordens des Saint Esprit, als Gouverneur des Poitou (62 300), als Großprior (60 600) und anderen Ämtern und Funktionen zustanden, sowie Einnahmen aus Ländereien in ganz Frankreich, Einnahmen aus der Salz- und Holzwirtschaft und anderen kleineren Einkünften. Der größte Teil im Jahr 1770 sind die 2,9 Mio. Livres, die Conti für den Verkauf eines Drittels seines Landbesitzes an die Krone erhielt – zum einen ein eindeutiges Zeichen für die völlige Überschuldung des Prinzen, zum anderen ein Hinweis darauf, daß Conti vorhatte, größere Ausgaben etwa für die Sammlungen zu tätigen.
Die Ausgabenseite mit 3,27 Mio. Livres wiederum setzt sich zusammen aus dem Haushalt und Verpflegung (ca. 50 000), aus der Instandhaltung der Infrastruktur der Ländereien, des Fuhrparks, der Gärten und Gebäude (ca. 140 000), aus den Gehältern seiner Bediensteten, seines Conseil und der Verwaltungskosten (246 000), aus laufenden Rentenverpflichtungen (300 000) – wobei der Prinz sich selbst 1770 eine Rente von 1,6 Mio. Livres eingerichtet hatte – sowie der Begleichung von Schulden aus den 1760er Jahren (621 000) und den menus plaisirs (246 000). Wenn man nun von den außergewöhnlichen Posten wie der Begleichung der Schulden oder der Einrichtung einer eigenen Leibrente absieht, kommt man zu dem Schluß, daß im Jahr 1770 hinter den Ausgaben für Gehälter und Rentenverpflichtungen die menus plaisirs, die Ausgaben für Luxus, an dritter Stellen standen. (Ebenso das Geld für die Leibrente, das er wahrscheinlich auch für Luxus ausgab!)
[6] »Das 18. Jh. lebte aus dem Vollen, indem es sich mit einer unerhört schlechten Zahlungsmoral abfand […].« (Pallach 1981: 653.)
In den noch erhaltenen Haushaltsbüchern für die Jahre 1770 bis 1776 werden die menus plaisirs mit einem Anteil von 12% bis zu 36% bzw. zwischen ca. 150 000 und 800 000 Livres veranschlagt.
[7] Zum Vergleich: der Duc de Choiseul bezahlte ungefähr 150 000 Livres für seine Sammlung von 150 exzellenten Gemälden; er verkaufte sie für etwa 450 000 Livres! Die Sammlung des Duc de Penthièvre umfaßte etwa 239 Gemälde und 39 Skulpturen; Gesamtwert beim Inventar 1744 128.572 Livres; siehe Jean Duma, Les Bourbon-Penthièvre (1678-1793): une nébuleuse aristocratique au XVIIIe, Paris 1993, S. 512. Der Duc d’Orléans, Regent, besaß ca. 450 Werke, die in unterschiedlicher Anzahl und Kombination im Palais Royal gezeigt wurden; die Curiosités de Paris von 1719 geben bereits einen ersten Einblick in die Räume, deren wichtigster der nach der Tribuna gearbeitet Salon d’angle mit Oberlicht war. In der Ausgabe der Curiosités von 1733 werden 411 Werke genannt, danach wieder weniger!
[8] »La manie coûteuse & insensée des tableaux & des dessins que l’on achète à des prix fous«, so Sébastien Mercier 1784 in seinem Tableau de Paris über die völlig überzogene Sammelmania, »est bien inconcevable. Il n’y a point de luxe, après celui des diamans & des porcelaines, plus petit & plus déraisonnable: non qu’un tableau ne vaille son prix; mais parce qu’il est bizarre, ridicule, indécent de couvrir d’or, des peinture dont l’utilité & la jouissance sont également bornées.« (Mercier 1796, S. 54.)In diese Kategorie gehörten auch einige der Bilder des Prince de Conti. Pietro da Cortonas Laban und Jakob ist mit 36 001 Livres unter den bisher gesichteten Verkaufskatalogen das teuerste Bild des Jahrhunderts, dicht gefolgt von Le Bois de La Haye von Paulus Potter aus der Sammlung der Witwe Lebas-Courmont, das ebenfalls für 36 000 Livres verkauft wurde. (Verkauf Lebas-Courmont, 26.5.1795, Lugt 5323, an Pierre-Joseph Lafontaine, aufgrund der Größe jedoch nicht identisch mit dem Bild Contis (1777:370) von Paulus Potter, heute in der Berliner Gemäldegalerie (Aufbruch zur Jagd in den Wäldern Den Haags, 1652, Berlin, Gemäldegalerie, Inv. 872A).)
[9] Mercier, Tableau de Paris, Hamburg und Neuchâtel 1781, Bd. I, S. 218.
[10] Siehe Pallach 1981; Schrage 2009. Ein wirtschaftstheoretisch mit moralischer Verurteilung verknüpfte Kritik am Luxus findet sich zum Beispiel bei Condillac: »Die Wohlfahrt verbreitet sich, wenn die Sitten einfach sind, aber das Elend beginnt mit dem Luxus.« (Condillac, Commerce, S. 273, nach Schrage 2009, S. 89.) David Hume sieht das ausgewogener: »Luxus ist die Quelle vieler Übel, wenn er ausschweifend wird, doch ist er Faulheit und Müßiggang grundsätzlich vorzuziehen.« (Hume, Verfeinerung, S. 204; hier nach Schrage 2009, S. 89.)
[11] »Je me flatte d’avoir démontré, dans mon Essai politique sur le commerce, combien ce goût des beaux arts, et cet emploi des richesses, cette âme d’un grand Etat, qu’on nomme luxe, sont nécessaires pour la circulation de l’espèce et pour le maintien de l’industrie; je vous regarde, Madame, comme un des grands exemples de cette vérité. Combien de familles de Paris subsistent uniquement par la protection que vous donnez aux arts ? Que l’on cesse d’aimer les tableaux, les estampes, les curiosités en toute forte de genre ; voilà vingt mille hommes, au moins, ruinés tout d’un coup dans Paris, et qui font forcés d’aller chercher de remploi chez l’étranger.«
[12] »Für die Wirtschaft Frankreichs und des Alten Reiches waren Produktion, Handel und Konsum von Luxusgütern das ganze 18. Jahrhundert hindurch von großer Bedeutung. […] Luxusgüter [waren] ein Hauptartikel für die französische Exportwirtschaft.« (Pallach 1987, 82.) Ab den 1770er Jahren jedoch fängt auch die Luxusindustrie unter einer sich ankündigenden Wirtschaftskrise zu leiden, die Exporte sind rückläufig. Siehe auch den Aufsatz Pallach 1981.
[13] Auch in der Encyclopédie kann der Chevalier de Saint-Lambert dem Luxus wirtschaftlich stimulierende Kräfte zuschreiben: »le luxe contribue à la grandeur et la force des états.« (Encyclopédie, s.v. »luxe«, Bd. 9, S. 763; hier zit. nach Pallach 1987: 101.) Bis zum Regierungsantritt Ludwigs XVI. sollte diese Einstellung des laisser faire mit Blick auf die eigenen Finanzen auch am Hofe vorherrschen. Im Reich bekundet Bertuch denn auch nicht ohne Eigeninteresse die Vorteile des Luxus für das Wohl des Landes in seinem Vorwort zum Journal des Luxus und der Moden: »Luxus […] ist die reichste Quelle für den Staat; der mächtigste Hebel der Industrie, und das kräftigste Triebwerk der Circulation. Er verwischt alle Spuren der Barbarey in den Sitten; schafft Künste, Wissenschaft, Handel und Gewerbe, vermehrt die Population und die Kräfte des Staats, und bewürkt Genuß und Glück des Lebens!« (Friedrich Justin Bertuch, Einleitung zur Herausgabe des Journals des Luxus und der Moden: Über Luxus und Mode, 1.1786, S. 1.)
»Au XVIIIe siècle, les négociants d’art sont devenus absolument essentiels au développement du commerce de luxe.« (Jo Lynn Edwards, Paillet, S. 11.)
[14] Einem Sammler wie Conti war es zu verdanken, daß der Pariser Kunstmarkt in den 1770er Jahren einen bisher ungekannten Aufschwung erfuhr und die Preise für Kunst in die Höhe trieben. »Le siècle dernier nous a donné les Gersaint, les Remi, les Boileau, les Folio, les Lebrun, à qui les amateurs ont dû leur fortune«, unterstreicht Gault de Saint-Germain 1835 die Rolle der Händler im Aufbau von Kabinette im 18. Jahrhundert, »le commerce de la curiosité, tout son luxe; et la France des trésors.« (Pierre Marie Gault de Saint-Germain. Guide des amateurs de peinture. Ecole italienne, Paris: Bon 1835, S. 33.) Siehe auch den Eintrag zum »luxe« von Saint-Lambert in der Encyclopédie: »cette augmentation de l’industrie, donnent au peuple de nouveaux moyens de subsistance, & doivent par conséquent augmenter la population ; sans luxe il y a moins d’échanges & de commerce ; sans commerce les nations doivent être moins peuplée […].« (Bd. 20, S. 530.)
[15] Gault de Saint-Germain 1835a, fol. 74. Es ist tatsächlich mit der Versteigerung der Sammlung Conti ein 1777 Einbruch der Kunstpreise zu verzeichnen, die in erster Linie mit der Sättigung des Marktes durch den Verkauf von den drei großen Sammlungen Blondel de Gagny, Randon de Boisset und Prince de Conti nach einer längeren Hochphase seit dem Verkauf Choiseul 1772 zusammenhängt. Ein Großabnehmer wie Conti trug während dieser Phase zur steigenden Preisentwicklung bei, da er durch seine Erwerbungen auf den Versteigerungen den Nachfragedruck aufrecht erhielt.
[16] »Der Kunstmarkt [… darf ] als ein Sektor des Luxusmarkts« angesehen werden (Pallach 1981: 658). »[…] ständisches Bewußtsein steht als treibende Kraft hinter den Aufwandsgesetzen […].« (Ebd.)
[17] Siehe Chaussinand-Nogaret 1970. Pallach nennt Vergleichszahlen für Kurbayern, wo im 18. Jahrhundert »zwischen 34 und 58% der Gesamtausgaben, wobei 1701 ‚mindestens 5%, 1760 fast 100% und 1770 mindestens 30% der kurfürstlichen Kammerausgaben auf den Erwerb von Luxusartikeln verwendet‘ wurden« (113; mit Verweis auf Hartmann 1992: 315). In Preußen unter Friedrich II. und in Österreich unter Joseph II. gelang umgekehrt »eine Disziplinierung des höfischen Aufwands« (113).
[18] »L’esprit de magnificence de ce temps avait quelque chose de solide et de bienfaisant. La magnificence égoïste ou de pure ostentation paraissait être de mauvais goût; par exemple, tous les grands seigneurs et les princes du sang étaient de la plus modeste simplicité dans l’ameublement de leurs châteaux et de leurs maisons de plaisance. […] mais les princes et les grands seigneurs avaient un luxe extrême dans toutes les choses qui peuvent procurer aux autres d’agréables jouissances, en chevaux, en voitures, en tables ouvertes, en logement donnés dans leurs palais, même à des personnes qui n’étaient point attachées à leurs maisons; en fêtes, en loges aux spectacles qu’ils prêtaient sans cesse à leurs amis; enfin, en domestiques beaucoup plus nombreux qu’aujourd’hui.« (Genlis 1996, S. 20f.)
[19] Genlis 1996, S. 20. Leopold Mozart bemerkte diesen Hang zu ungeheuren Ausgaben anläßlich der ersten Reise der Mozarts nach Frankreich Mitte der 1760er Jahre: »Les français veulent continuer à afficher leur magnificence extérieure, et par suite, seuls les financiers sont riches, les seigneurs sont criblés de dettes.« (Leopold Mozart in einem Brief an Maria Theresia Hegenauer, vom 1.2.1764, in Mozart 1987, Bd. 1, S. 78.)
[20] »Der ›Luxus‹ im Sinn der Ablehnung zweckrationaler Orientierung des Verbrauchs«, so Max Weber in Wirtschaft und Gesellschaft, »ist der für feudale Herrenschichten nichts ›Ueberfluessiges‹, sondern eines der Mittel ihrer sozialen Selbstbehauptung.« (Weber 1976, S. 651.) Siehe unter anderem Swann 1996, S. 159. Im Prinzip gilt das für alle nach oben strebenden Schichten: »Für den aufstrebenden Bourgeois galt das Gesetz des Konsums aus sozialer Verpflichtung, der conspicuous consumption, nicht weniger als für den Adel. Wer über die Bekleidung von Staatsämtern oder erfolgreichen Wirtschaftstätigkeit neben dem Erwerb von Vermögen auch höheren sozialen Status bis hin zur Nobilitierung erreichte, sah sich wachsendem Konsumzwang ausgesetzt.« (Pallach 1981: 656.)
[21] Siehe für das Selbstverständnis von fürstlichen Sammlern und der magnificence unter anderem Chastel 1989; siehe zum Verhältnis von Kunstmarkt und Ausgaben für Luxus den Aufsatz Pallach 1980; siehe zu dem Begriff des Luxus im Ancien Régime auch Aufsatz Goubert 1991; Coquery 1998; und etwas allgemeiner Wahnbaeck 2004, S. 13–54. »Versailles, l’être social des individus s’identifie avec la représentation qui en est donné par les autres ou par lui-même : c’est la »culture des apparances », qui est d’ordre politique autant que comportementale.« (Daniel Roche. La France des Lumières, Paris: Fayard 1993, S. 236; s. zum Komplex Eliten im Ancien Régime und princes du sang: Roche 1993, XII. Kapitel, S. 350ff.)
»Die differenzierte Durchbildung des Äußeren als Instrument der sozialen Differenzierung, die Repräsentation des Ranges durch die Form, ist nicht nur für die Häuser, sondern für die gesamte höfische Lebensgestaltung charakteristisch«, unterstreicht Norbert Elias die Notwendigkeit der Distinktion für den Hochadel, »das Feingefühl dieser Menschen für die Zusammenhänge von sozialem Rang und der Ausgestaltung alles Sichtbaren in ihrem Wirkungskreis einschließlich ihrer eigenen Bewegungen, ist zugleich Erzeugnis und Ausdruck ihrer sozialen Lage.« (Elias 2002, S. 110. »[…] in dieser grandseigneuralen Gesellschaft [sind] Größe und Pracht des Hauses nicht primär Ausdruck des Reichtums, sondern primär Ausdruck des Rangs und Standes […].« (Ebd., S. 95; zur Kritik an der teilweise anachronistischen und einseitigen Handhabung von Quellen und der Überbewertung der normativen Kraft des Hofes durch Elias siehe Duindam 1995, S. 19–34.)
Durch ihn verstand der Adel sich als Mitglied einer »élite des loisirs« aus, wie Antoine Lilti zuletzt feststellte, die in ihrem Lebensstil und ihrer »sociabilité du divertissement« sowohl Kultur und Reichtum als auch Unabhängigkeit von den ›niedrigen‹ Ständen zeigt.
[22] Die auf antike Vorstellungen zurückgehende und in mittelalterlichen Fürstenspiegeln propagierte Auffassung der magnificentia als Qualität der Herrschaftsführung legitimierte die übermäßigen finanziellen Ausgaben zur Zurschaustellung von Pracht und Reichtum. Für den Hof und die Klientel des Prinzen mag diese Darstellung in materieller Hinsicht zutreffend sein, schließlich profitierten ein sehr großer Kreis von Menschen direkt und indirekt von Conti und seinen Ausgaben. Allerdings war sich Madame de Genlis auch nach der Revolution nicht über die Ungerechtigkeit der ungleichen Verteilung der Güter bewußt bzw. er entspricht ihrem aristokratischen Selbstverständnis.
[23] Encylcopédie, Bd. ix (1765), s.v. ›magnificence‹.
[24] Der Auktionskatalog aus dem Jahr 1777 mit über 2000 Losen gibt einen Überblick über die zum Verkauf stehenden Sammlungen des Prinzen: Etwa 50% der Lose waren Gemälde, 25% gehörten in den Bereich der Antiken inklusive Gemmen, Medaillen und Skulpturen, die Graphik machte 14% aus, neuzeitliche Plastik und kunsthandwerkliche Erzeugnisse nur noch 4%, verschiedene wissenschaftliche und musikalische Instrumente 2% und die übrigen Lose wurden den verschiedenen exotischen Artefakten wie Mumien, Chinoiserien oder Turquoiserien und dem naturhistorischen Kabinett zugerechnet. Der Schwerpunkt der Sammlung lag also auf der Malerei, die nicht nur die Mehrzahl der Werke stellte, sondern für die auch überdurchschnittlich viel geboten wurde, nämlich 85% des Gesamterlöses bzw. über 950 000 Livres.
[25] Die herausragende Bedeutung der Italiener bemerkten auch seine Zeitgenossen. So heißt es im Vorwort zum Verkaufskatalog der Sammlung von 1777 …
[26] »[La disposition] répond à un souci de mettre en valeur chaque type de curiosité«, wie Marianne Roland Michel unterstreicht (Roland Michel 2000, S. 40).
[27] Conti selbst führte physikalische Versuche durch und baute technische Instrumente, verfügte über ein eigenes Laboratorium, einen Aufführungssaal für technische Instrumente und plante einen Theater- und Ausstellungssaal. Beraten durch die besten Experten-Händler seiner Zeit fand der Prinz einen in Ansätzen wissenschaftlichen Zugang zu den Objekten seiner Sammlung, die er mit seinen Gästen wie zum Beispiel dem Mathematiker d’Ortous de Mairan diskutieren konnte.
[28] Der Ansatz einer ›kunsthistorischen Konzeption‹ in der Hängung, die sich bei einigen Räumen im Temple beobachten läßt, sollte aber nicht überbewertet werden: Daß auch Contis Sammlung jedoch noch weit von einem Museum nach kunsthistorischen Maßstäben entfernt war, zeigt sich an der in einigen Räumen auftretenden Mischung von Schulen und an der vermutlich sehr hohen Dichte von Bildern in den Räumen, die dem einzelnen Bild keinen angemessenen Raum gab. Auch ist nichts über eine innere Ordnung der Räume, chronologisch oder nach Werkgruppen, bekannt. An der Frage der Systematisierung der Hängung stellt man im Vergleich mit dem Reich fest, daß Frankreich in der Beziehung einen anderen, rückständigeren Weg einnahm und sich sehr viel später der historisch-topographischen Präsentation öffnete (siehe unter anderem Gaehtgens 2004).
[29] »Cent quatre vingt sept Etudes colorées fleurs fruits Coquillages & Insectes peints sur velin et papier le tout composant Six Cents soixante dix neuf pièces«, AN, X1A 9179, 1373.
[30] Le Brun 1776a, S. 191 ff. Er bezieht sich auf die Nennung der Kabinette im Voyage pittoresque de Paris von Dezallier d’Argenville, dem er in diesem Punkt folgen will.
[31] Die Argumentation lehnt sich an die durch Bachaumont geprägten Ansichten La Font de Saint-Yennes, die dieser in den Reflexions sur quelques causes de l’état présent de la peinture en France (1747) darlegte. (Zu Bachaumont und La Font de Saint-Yenne siehe Crow 2000, v. a. S. 121–154.)
[32] Christian Ludwig von Hagedorn, Betrachtungen über die Malerei, Leipzig 1762, Bd. II, S. 580.
[33] Johann Georg Sulzer, Allgemeinen Theorie der Schönen Künste, Leipzig 1771-1774, hier Auflage 1792, s.v. »Galeries«, S. 286f.
Watelet und Levesque sollten in ihrem Dictionnaire von 1792 diese Idee unter dem Lemma »cabinet« wieder aufnehmen: »Les cabinets de peinture, tels que je les suppose, ceux dans lesquels on n’admet point d’ouvrages incertains, altérés, déguisés, & que les possesseurs ouvrent non-seulement aux Artistes, mais à tous ceux qui veulent réellement s’instruire, sans acceptation d’état, les collections enfin, oì l’on assemble & l’on rapproche avec une sorte de méthode les beaux ouvrages, deviennent donc, pour les Arts & la nation, des écoles, dans lesquelles les Amateurs peuvent prendre des notions, les Artistes faires des observations utiles, & le Public recevoir quelques idées justes.« (Henri Watelet und Pierre Levesque, Dictionnaire des arts de peinture, sculpture et gravure, Bd. I, Paris 1792, s.v. »cabinet », S. 286.)
[34] Colin B. Bailey schränkt den Aspekt der öffentlichen Bildung durch die privaten Sammler jedoch ein: »While the affability of amateurs and the availability of their collections had become stock sales talk by the 1780s, the privat cabinet had never claimed to function as a school or public repository for the forming of taste.« (Bailey 1987, S. 445.)
[35] Le Brun im Kat. Destouches (Lugt 5171, 21/3/1794); hier zit. nach Pallach 1981: 664.
[36] Rückblickend bedauert auch Gault de Saint-Germain den Verlust dieser privaten Ausstellungsorte nach der Revolution und schließt mit der Bemerkung: »L’exhibition de tant de richesses artistiques, industrielles, recueillies à grands frais, payées en souverain, étonnoit même le gouvernement, fort arrière à cette époque, dans la disposition, d’ouvrir à l’émulation, et à l’admiration un spectacle aussi éclatant pour la gloire du pays: Et cette leçon étoit donné au gouvernement par un rendez-vous d’amateurs illustres, dans le dernier siècle dont les collections étoient autant des Musées stables, toujours ouvert à l’émulation, à l’étude jusqu’au décès des propriétaires. » (Gault de Saint-Germain 1835a, fol. 62.) Ebendort nennt er die seiner Meinung nach wichtigsten Sammlungen (ohne Conti!): »Et ce rendez-vous est un trop bel exemple pour passer sous silence les noms illustres dont il se composoit: tels furent le prince de Carignan, Crozat Baron de Thiers, le comte de Vence, le duc de Tallard, Angran, Vicomte de Fonpertius, le duc de Sully, Chauvelin, Ministre d’état, le duc de Choiseul, Gaillard de Gagny, recevoir général des finances, Quentin de Lorangère, Mme. de Pompadour, le chevalier de la Roque, Dezallier d’Argenville, de Bergeret, receveur général des finances, La Live de Jully, introducteur des ambassadeurs, De Julienne, chevalier de l’ordre de Saint-Michel, P. J. Mariette etc. Et je répète comme une leçon perdue, dans le dix-neuvième siècle, que tous ces amateurs sont morts avec leur collection. Et je répète encore, comme une leçon perdue, car les temps sont bien changés, et par celui qui court, il n’y a plus d’état, il n’y a plus de Curieux, il n’y a plus que du Commerce dans tout, et même dans les consciences.« Private Sammler trugen mit ihrem Sammlungen nicht nur zum Ruhm des Landes bei, sondern nahmen auch in ihren Kabinetten Aspekte des modernen Museums als Begegnungsstätte zum Zweck der Bildung vorweg.
[37] AN, N III Seine 357, 4, 18. Jahrhundert, Plans des maisons situées dans l’enclos du Temple et dessins de projets de nouveau bâtiments, appartenant au Gd. Prieuré de France.
[38] »Quoiqu’il n’y ait aucun jour fixé pour voir la magnifique Collection de Tableaux de Monseigneur le Duc d’Orléans, on sçait que ce Prince a donné des ordres pour les faire voir dans la matinée aux Artistes, aux Amateurs & aux Etrangers.« Le Brun 1777, S. 174 f. In Thierys Almanach du voyageur à Paris von 1781 wird der Besucher im Kapitel der Monuments célebres geradezu zum Besuch des Palais-Royal aufgefordert: »Entre les embellissemens de ce palais, […] il ne faut compter la façade […] mais […] les galeries, à cause de la plus belle collection de tableaux qui soit au monde, le cabinet d’Histoire naturelle, & nombre de chefs-d’œuvre de tous les arts élégamment assortis & distribués dans tous les appartemens« (Thiery 1781, S. 18).
[39] »S. A. S. parce qu’elle a déjà acquise a de quoi de répondre à la haute idée que le public éclairé a de toutes ses actions en mettant au jour et ornant son palais de tout ce dont son goût et sa libéralité l’ont rendu possesseur y ajoutant s’il veut ce qu’il peut y manquer de capital en école italienne et française et le plus de bons dessins qu’il pourra de la collection de M. Mariette, qu’aurait-il a désirer après.« (Ebd., fol. 28697)
[40] So sei es die Aufgabe eines großen Sammlers, die Nation zum guten Geschmack zu führen. »A une nation quelquefois frivole mais toujours sensible il ne faut qu’un grand pour la ramener au bon goût.«
[41] Jean-Baptiste-Pierre Le Brun antwortete 1793 auf das Projekt Jean-Marie Rolands, den Louvre zu einem nationalen Museum auszubauen, das dem Volk gefallen sollte, mit dem Vorschlag: »Que doit être le Muséum? Il doit être un assemblage parfait de ce que l’art et la nature on produit de plus précieux, en tableaux, dessins, statues, bustes, vases et colonnes de toute sorte de matières, la plupart antiques; de pierre gravées, médailles, émaux, vases et coupes d’agathe, jade, etc. Tous les tableaux doivent être rangés par ordre d’école, et indiquer, par la manière dont ils seront placés, les différentes époques de l’enfance, des progrès, de la perfection et enfin de la décadence des arts.« (Jean-Baptiste Pierre Le Brun, Réflexions sur le Muséum national. 14 janvier 1793, hrg. von Edouard Pommier, Neuaufl. Paris: Réunion des Musées Nationaux 1992, S. 8.)
[42] »Les besoins de consommation culturelle«, schreibt Mathieu Maraud über die Gründe für den Adel, eine zentrale Rolle auch im kulturellen Leben spielen zu wollen, »s’accélèrent chez un groupe qui, après la domination sociale, est en quête de domination intellectuelle.« (Maraud 2000, S. 454.)
Im Nachruf auf den Prinzen heißt es schließlich in einem standesgemäßen Ton der Verehrung: »d’un génie vaste et propre à toutes les connoissances humaines. Amy des Beaux Arts et des divinités qui y président, il ne s’occupoit pas moins des sciences: amy des Peuples et des Magistrats qui leur rendent justice, il ne remplissoit pas moins les devoirs de la sage et saine politique dont il avait partagé l’étude avec l’art militaire.« (Nécrologue sur le prince de Conti d’une main anonyme, BPR, LP 578, 2.)
Der bekennende Atheist und Freimaurer Conti, der wohl aus taktischen Gründen mit der Aufklärung liebäugelte, trug seinen Teil zur Verbreitung aufklärerischer Ideen bei, indem er den Temple nicht nur zu einem Ort der Kultur machte, sondern in diesem Rahmen libertäre Gedanken anregte sowie die Herausgabe subversiver Pamphlete förderte. (Das Verhältnis von Freimaurer und Kunstsammlungen ist im Übrigen noch ein interessantes Forschungsthema, da es bisher noch nicht bearbeitet wurde.) Zu den Freimaurern siehe Poulot 2000, S. 197ff. Dort schreibt er zum Beispiel zu den Gründungsdokumenten der Freimaurer in Frankreich von Ramsay (1686-1743) in seinem Discours von 1738: »Son fameux Discours […] appelle la maçonnerie à un rôle international, pour constituer une Encyclopédie universelle des arts […]. […] Ramsay place en tête des vertus maçonniques la philanthropie, ou l’humanité, avec le secret inviolable et le goût pour les beaux-arts. » (Poulot 2001, S. 197.) Damit gab er selbst das beste Beispiel der Anwendung von »propaganda techniques«, wie Lynn Hunt sie beschreibt, gegen die Autorität ab. („In the decades before 1789«, schreibt Lynne Hunt zu den Ursachen der französischen Revolution aufgrund von Mentalitätsveränderungen durch Schriftsteller und Pamphlete, »French writers and critics were learning the propaganda techniques that would eventually destroy the monarchy, aristocracy, and aristocratic culture.« (Lynn Hunt. »Introduction« zum Themenband The French Revolution in Culture der Eighteenth-Century Studies, Bd. 22, Nr. 3 (1989), S. 298.)) Er öffnete Teilen der Aufklärung die »Hintertüren und Boudoirs« als »Zugang zur Macht«, wie Robert Darnton die Nähe von Aufklärung und Adel beschreibt. („Natürlich war es [die Aufklärer] auch eine Elite. Trotz der gleichmacherischen Tendenz ihres Vernunftglaubens wollten sie die Kommandohöhen der Kultur erobern und von oben ‚aufklären‘. Diese Strategie führte dazu, daß sie sich auf die Eroberung von Salons und Akademien, Zeitschriften und Bühnen, Freimaurerlogen und Cafés konzentrierten, um auf diesem Weg die Reichen und Mächtigen für ihre Sache zu gewinnen und vielleicht durch Hintertüren und Boudoirs sogar Zugang zur Macht zu erhalten.« (Darnton 1996, S. 6.))
[43] »Protéger Rousseau, Beaumarchais ou Le Paige revient au même pour Conti: affirmer son appartenance aux Lumières est une manière de jouer le rôle politique qu’il estime être le sien.« (Giquelay 1996, S. 73.)
[44] Er regte einen im Rahmen der Salonkultur möglichen gleichberechtigten, rangübergreifenden Austausch über Philosophie, Wissenschaft und Kultur an. Als adelig-reaktionärer Rebell nahm Conti auf seine Weise an den gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Umbrüchen des ausgehenden Ancien Régimes teil.
Die Sammelleidenschaft trug zu einem kleinen Teil zu einem »partiellen Auflösungsprozeß der Standesgrenzen » bei (Pallach 1981: 656), wie es im Vorwort zu einem Gersaint-Katalog heißt: »Quels avantages un curieux ne trouve-t-il pas des suites ordinaires de sa curiosité? Il ne connaît pas ce que c’est que l’ennui. S’il se lasse d’être chez lui, son titre de curieux lui donne entrée dans les cabinets les plus fameux, et il peut aller s’y recréer. En qualité de curieux, il devient égal à ceux mêmes qui, livrés à cette noble passion, se trouvent au dessus de son état par leur rang ou par leur condition. Comme tel, il est appelé et reçu avec plaisir dans leurs assemblées établies à dessein de se communiquer leurs découvertes ou leurs acquisitions. » (nach Blanc, Trésors, Bd. I, S. LVf. ; hier nach Pallach 1981 : 656.) »Die Furcht vor dem egalisierenden Einfluß des Luxuskonsums war also nicht ganz unbegründet, und die solches fürchteten, gehörten nicht einmal der bedrohten Klasse an. » (Pallach 1981: 657.)
»Malgré cet esprit parlementaire […], malgré cette affection démocratique […], bien qu’il eut pour amis Rousseau, Beaumarchais et surtout Diderot, comme secrétaire des commandements Lebrun-Pindare, comme aumônier l’abbé Prévost, le prince est foncièrement antiliberal et antiprogressiste. Il est ennemi de toute réforme, de tout libéralisme, de tout ce qui présente la moindre apparance de démocratie tant en politique qu’en économie. Son antilibéralisme ne se confond pas avec l’absolutisme. Il se méfie au contraire du despote éclairé et d’un absolutisme libéral.« (Faure 1961, S. 439f.) »C’est dans cette opposition systématique à la politique versaillaise«, faßt Christoph Giquelay die Haltung Contis als oppositioneller, aufgeklärter Prinz zusammen, »que s’inscrit, semble-t-il, l’image du prince éclairé.« (Giquelay 1997, S. 359.)
[45] »[…] auch die heutigen öffentlichen Museen sind eine Folgewirkung der besonderen Formen höfischen Umgangs mit Kunst, Künstlern und Öffentlichkeit.« (Bénédicte Savoy mit Blick auf die Fürstenmuseen im Reich, in Savoy 2006, S. 9.)
[46] Einen entscheidenden Schritt jedoch sollte das Pariser Museum mit Vivant Denon gehen, der sein Vorgehen dem Kaiser der Franzosen in einem Brief erläuterte: »[Ma nouvelle installation] est comme la vie du maître de tous les peintres. Quand vous visiterez cette galerie pour la première fois, j’espère que vous trouverez qu’elle présente déjà un aspect d’ordre, d’enseignement et de classification. Je continuerai dans le même esprit avec toutes les écoles, et, dans quelques mois, on pourra, en visitant la galerie, jouir d’un cours d’histoire de la peinture.« (AN, AF IV 1049 (2) ; hier nach McClellan 1993: 569.)
[47] Der darin enthaltene Aspekt des Allgemeinwohls kommt über die erhöhten Ausgaben für Luxus- und Konsumgüter indirekt zur Geltung.
Hier soll nicht behauptet werden, daß die aristokratische Verschwendungssucht die Grundlage eines wirtschaftlichen Aufschwungs war – der im ausgehenden Ancien Régime ausblieb –, festzuhalten bleibt aber, daß der Konsum die Grundlage des Handels war und Städte wie Paris vom Konsum lebten. Paris war im 18. Jahrhundert nach Amsterdam und London die erste Adresse für den europäischen Kunsthandel, angeregt durch eine reiche und kauffreudige in- und ausländische Kundschaft, die einen ganzen Wirtschaftszweig am Leben hielt.
Auch Contis Engagement war volkswirtschaftlich gesehen Teil des öffentlichen Wohles, da es das Wirtschaftsleben förderte. Die Magnifizenz betraf aber nicht nur wirtschaftliche Aspekte, sondern bezog sich auf den öffentlichen Nutzen, etwa durch die Öffnung der Kunstsammlungen, auf die ich gleich zu sprechen komme.
Siehe zur Geschichte und zum Begriff des Luxus im Ancien Régime den Aufsatz von Ulrich-Christian Pallach (Pallach 2000), siehe zur Luxusdiskussion des Adels unter anderem Galliani 1984 und grundlegender (aber auch veraltet und zu einseitig auf die ›Verweichlichung‹ durch das ›Weibchen‹ schauend) Sombart 1983 [1913], hier besonders S. 57 ff. und S. 89 ff.
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